Carolin Brüderle
Es gibt keine Fehler, nur Irrtümer

Das Wort „Fehler” ist eines der ungünstigsten, die jemals erfunden wurden. Ein Fehler bezeichnet einen Mangel in einem Ergebnis, etwas fehlt, wurde ver-fehlt, weicht von einem gewünschten Zustand ab, ist also falsch, ein Fehler.

Diese Definition funktioniert nur bei Ergebnissen oder Zuständen, die wir tatsächlich messen oder so genau beschreiben können, dass wir ein eindeutiges Bild haben. Zwei plus zwei ergibt vier, dieses Ergebnis ist feststehend, unveränderbar (und selbst hier würden mir manche Mathematiker sicherlich widersprechen). Steht ein Ergebnis fest, können wir behaupten: Zwei plus zwei ist fünf, das ist ein falsches Ergebnis. In der Rechnung liegt offenbar ein Fehler.

Leider nutzen wir die Bezeichnung Fehler auch oft für Dinge, die nicht klar definiert sind. Wir sagen: „Ich bin falsch abgebogen, da habe ich einen Fehler gemacht", oder: „Ich habe blöd reagiert, das war mein Fehler".

Aber sind es denn tatsächlich Fehler? Fehlte denn etwas? Nein, denn es wurde ja gehandelt, nur ist nicht das gewünschte Ergebnis herausgekommen. Welcher Idealzustand wurde denn ver-fehlt? Höchstens der, den wir uns selbst erhofft haben. Denn im Grunde streben wir alle nach Fehlerfreiheit. Unsere Intention ist ein fremd- oder eigens definierter Zustand von Perfektion, der nur im Sinn hat, unser Ziel zu erreichen.

Niemand macht mit Absicht Fehler. Ist der „Fehler" mit Absicht geschehen, folgt er einer Intention. Wird diese erreicht, so war es kein Fehler, sondern ein Mittel zum Zweck.

Wir verfolgen immer unsere Intention. Auf dem Weg dahin gehen wir die unterschiedlichsten Schritte. Es geht immer darum, dass wir unser Ziel erreichen, sei es das Kaufen einer Sache, das Überreden eines anderen Menschen oder das Lösen einer mathematischen Aufgabe.

Ist nun das Ergebnis am Ende nicht wie gewünscht, sagen wir schnell: „Ich habe einen (oder gar viele) Fehler gemacht." Das Wort „Fehler" assoziieren wir dann leicht mit: „Da ist ein Mangel, an dem ich Schuld bin, der mir zu eigen ist und den ich bestimmt nicht ausgleichen kann, denn ich mache ja immer diesen Fehler".

Nun zurück: Niemand macht mit Absicht Fehler. Nein - wir machen keine Fehler, denn das würde nicht unserer Intention entsprechen.

Wir unterliegen Irrtümern, die aus einem Mangel an Wissen und Verstehen resultieren. Ein Fehler ist maximal das Resultat eines Irrtums, mehr wollen wir ihm hier aber nicht zusprechen. 

Wir irren uns also, und das ist menschlich und hat uns so weit gebracht, wie wir Menschen heute sind.